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Fast haben unsere Velo-Touren am Osterwochenende
schon Tradition - zweimal haben wir diese willkommenen freien Tage schon
für einen zünftigen Saison-Auftakt benutzt. Letztes Jahr hat uns allerdings
der verspätete Wintereinbruch einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Wie wird es diesmal sein? Ich bin natürlich im Januar schon wieder mit
dem Finger auf der Landkarte unterwegs, ist ja klar. Aber es kommt anders:
wir haben im Herbst ein nettes Ehepaar kennengelernt, Edith und Grigori,
und die beiden regen ein gemeinsames Velo-Wochenende im Elsass an. Radfahren
entlang der romanischen Strasse, Kultur und Kulinarisches geniessen, schliesslich
sollen die Weine im Elsass ja auch nicht zu verachten sein…
Grigori hat die Zugfahrt organisiert
- ich bin diesmal "nur" Mitfahrender und kann es auch mal geniessen, einfach
nur zu packen und mich mit Margrit um 7 Uhr morgens am Zürcher Hauptbahnhof
einzufinden. Die Zugfahrt klappt dann auch wunderbar, wir steigen in Basel
und Freiburg um und sind schon vor 10 Uhr in Breisach am Rhein.

Gleich geht's erstmal über den Rhein, der hier aufgestaut ist um mit seiner
Kraft Energie zu erzeugen. Ausschauen tut's furchtbar, aber keiner von
uns erwartet hier ein Idylle. Wir rollen uns langsam ein, machen auf französischer
Seite einen Schwenk nach Norden und lassen die Kraftwerkszone bald hinter
uns. Von der rechten Rheinseite grüsste Breisach herüber - eine grosse
romanische Kirche blitzt durch das Buschwerk. Anfangs müssen wir noch
mit einer mässig befahrenen Strasse vorlieb nehmen, doch bald finden wir
uns auf einem Dammweg wieder, kommen durch ruhige Dörfer und freuen uns
über die ersten Schwalben dieses Jahres. Es sei gleich vorweg genommen,
dass wir an diesem Tage noch Rehe, Hasen, Brachvögel, Falken, zwei Fasane
sehen...

Überall sieht man Kriegerdenkmäler und Mahnmale aus den Zeiten als Deutschland
und Frankreich ganz anders miteinander verkehrten als sie es jetzt tun.
Ist schon erstaunlich was sich in 50 Jahren alles ändern kann…Es ist einer
dieser Frühlingstage die den Sommer schon erahnen lassen, sehr warm an
der Sonne und trotzdem weht eine frische Brise, man weiss nicht so recht
wie man sich kleiden soll. Wir gleiten durch das flache Rheintal, mit
Blick auf die erste Hügelkette der Vogesen. Auf einem Hügel rechts voraus
thront eine Burg - ich vermute dass es Haut Koenigsbourg ist, aber es
ist zu dunstig um Näheres zu erkennen. Bald schon sind wir auf der Zielgeraden
nach Colmar wo wir im Hotel Mercure ein Zimmer reserviert haben. Am Spätnachmittag
sieht man uns die Colmarer Altstadt erkunden, zwei Kirchen besichtigen,
einen kleinen Apero im Freien zu uns nehmen. Anschliessend befinden wir
uns auf der Suche nach dem Stadtviertel "Petite Venice" als uns (mich)
der Hunger in ein gutbürgerliches Restaurant treibt. Erst auf dem Nachhauseweg
finden wir das Langersehnte...

Das schöne Wetter von gestern hat sich
für heute verflüchtigt - ein zäher Hochnebel liegt über der Stadt und
den ganzen Tag werden wir heute im Trüben fahren. Doch zuerst gilt es
die Tagesplanung zu machen - wichtig ist die Festlegung des Übernachtungsortes,
weil wir morgen bis nach Basel kommen wollen und weil es nicht gesagt
ist, dass wir in den kleinen Dörfern die auf der Strecke liegen auch wirklich
Hotels finden werden, die über Ostern offen haben und 2 Doppelzimmer frei
haben. Im Touristenbüro bekommen wir ein Hotelverzeichnis und können dort
auch gleich zwei Zimmer in Ensisheim vorausbuchen. Nun also kann der Tag
beginnen... Erstmal steht das Musée d'Unterlinden an, genauer gesagt der
Isenheimer Altar, denn für das gesamte Museum mit seinen Kunstschätzen
würden wir einen ganzen Tag benötigen. Abwechselnd besichtigen wir das
Museum, passen auf die Räder auf, besorgen Proviant für zwei Tage.
Und dann sind wir wieder auf Strecke: zuerst eine etwas nervige Ausfallstrasse
Richtung Süden. Wir können zwar bald auf eine kleinere Strasse abzweigen,
im weiteren Verlauf werden wir aber immer wieder recht nahe an der Route
Nationale entlang fahren müssen. Das ist zwar schade, jedoch ist der heutige
Tag eher den Kulturgenüssen und nicht der Landschaftsbetrachtung gewidmet,
obschon die Gegend hier wirklich sehenswert ist: wir fahren dort wo die
Ebene langsam ansteigt nach Süden, rechter Hand die Vogesen und immer
wieder Burgen und Dörfer auf halber Höhe. Grigori hat sich ein paar kulturelle
Highlights herausgepickt die er unbedingt sehen möchte und wir befinden
uns eigentlich auf dem Weg nach Roufach, einem Dorf in dem mehr Hexen
im Mittelalter verbrannt wurden als anderswo in der Gegend, als wir unversehens
in ein kleines Städtchen mit herausgeputzer Altstadt und ringförmigen
Grundriss geraten: Eguisheim. Weinstube reiht sich an Weinstube - Souvenirladen
an Souvenirladen… Trotzdem schön! Und: auf dem Kirchturm befindet sich
ein bewohntes Storchennest. Ein nettes Örtchen dass man gut als Ausgangspunkt
für Besichtigungstouren in die Vogesen in Betracht ziehen könnte.




Nach einem Picknick im Freien treffen wir in Roufach ein, dass eine ganz
andere Stimmung verbreiten: hier steht genauso viel alte Bausubstanz herum
wie in Eguisheim, aber es ist nicht bunt renoviert sondern vermittelt
eine authentischeren Eindruck vom "früheren Leben" hier im Ort. Rund um
die Kirche ist ein interessanter Dorfplatz mit ihm umschliessenden Gebäudekomplexen
entstanden. Auch hier gibt es Storchennester auf den Häuserdächern und
es herrscht reger "Flugbetrieb". Die nicht fertiggestellte Kirche lässt
sich leider nicht besichtigen weil in ihrem Inneren ein Chor eine Musikaufnahme
tätigt, allerdings sind in einem Café mit Blick auf den Platz noch Plätze
für uns frei…

Bald sind wir wieder unterwegs. Die Tatsache, dass wir immer mit der Route
Nationale konfrontiert sind, mit Strassenlärm und optischer Beeinträchtigung,
lässt uns die nächste Gelegenheit zum Abzweigen auf eine Nebenstrasse
wahrnehmen. Zwar führt uns dieser Weg im Zickzack-Kurs auf unser nächstes
Ziel zu und irgendwann wird aus der Asphaltstrasse ein ausgewaschener
Feldweg, aber es ist eine angenehme Abwechslung, wenn man abseits vom
Autoverkehr durch die Weinfelder radeln kann. Die letzten Kilometer vor
Guebwiler, unserer letzten Besichtigungsetappe für heute, mühen wir uns
auf der Einfallstrasse mit mässigem Verkehr ab. Mässig ist die Begeisterung
dann auch für Guebwiler selbst - es gibt zwar eine imposante Kirche, doch
entweder bin ich schon zu müde, oder… naja, jedenfalls befinden wir uns
dann relativ schnell auf der Zielgeraden und legen die letzten 9 km bis
Ensisheim recht flott zurück. Direkt neben unserem Hotel, dem "La Couronne",
befindet sich ein Gefängnis, die Wirtsleute laufen wegen einer Augenoperation
mit grossen dunklen Brillen herum (beide!) und wir müssen recht lange
auf unser Essen warten, allerdings lohnt sich die Wartezeit denn wir speisen
vorzüglich und sind auch den Getränken - leider etwas zuviel - zugetan…
Was gibt es Schöneres, als am Ostersonntag
von einem strahlend blauem Himmel und mit Sonnenschein geweckt zu werden?
Richtig: am Ostersonntag von einem strahlend blauen Himmel und mit Sonnenschein
geweckt zu werden ohne am Vortag zu tief ins Glas geschaut zu haben… Tja,
selbst schuld. Nach dem Frühstück vertreibt der Gegenwind den schweren
Kopf, als wir nach Osten durch die intensiv landwirtschaftlich genutzte
Rheinebene fahren, dann kerzengerade kilometerlang durch den Staatswald
pedalieren um uns schliesslich im Städtchen Ottmarsheim wiederzufinden,
dass mit der eindeutig schönsten romanischen Kirche dieser Reise aufwarten
kann. Nach ausgiebiger Besichtigungspause und weiterer hartnäckiger Heimsuchung
durch den Gegenwind dann endlich ein Picknick im Grünen - heute mit Sonnenschein
und Vogelgezwitscher, Käse, Brot und Gugelhupf. Eine etwas langweilige
Strecke dann bis Kembs (erwähnenswert hier nur die Imitation einer Burg,
die sich ein reicher oder/und grössenwahnsinniger Bauer oder Pferdezüchter
gebaut hat), dort eine verdiente Kaffeepause im Yachthafen und schon rollen
wir an dem Kanalweg des Rhin-Du-Rhone Kanals durch ein Naturschutzgebiet
auf Basel zu. Hier blüht schon alles. Frühlingsidylle. Zweimal sehen wir
eine Bisamratte.


Basel kommt näher, der Kanal mutiert zum Naherholungsgebiet und schliesslich
finden wir uns ohne Grenzkontrolle auf schweizer Seite wieder, ein paar
Minuten Stadtverkehr noch und schon stehen wir am Basler Bahnhof. Hier
trennen sich unsere Wege. Edith und Grigori sind etwas überrascht, dass
wir sofort weiter wollen, aber wenn wir jetzt eine Pause einlegen bringt
uns niemand mehr in den Sattel. Nach dem kurzen Abschied mühen wir uns
noch durch den Basler Stadtverkehr auf die andere Stadtseite, um morgen
früh direkt in die Landschaft starten zu können. In Muttenz finden wir
gleich ein Hotel. Was für ein Kontrast: gestern noch im alterwürdigen
"La Couronne" mit französischer Küche, heute im modernen Coop-Hotel mit
sterilem 4-Sterne-Chic, das Restaurant im selben Stil…
Heute sind wir ausschliesslich im Rheintal
unterwegs, dieselbe Strecke die wir vorigen Sommer in umgekehrter Richtung
gefahren sind. Es will heute nicht so recht rollen, obwohl wir sehr schönes
Wetter haben. Vielleicht liegts am Gegenwind, unter Umständen ist aber
auch ein Pausentag angesagt, es kann aber auch die andauernde Nähe zu
den grossen Autostrassen hier in diesem Teil des Rheintales sein. Bei
jeder Annäherung an einen Bahnhof reden wir über einen Abbruch der Fahrt,
schaffen es aber doch noch bis Zurzach, wo wir dann noch eine kleine Odyssee
mitmachen "dürfen", bis wir wieder zuhause in Zürich sind: in Zurzach
funktioniert die Bahnschranke nicht, was alle Züge in eine etwas einstündige
Verspätung versetzt und den Fahrplan durcheinander wirft…

War trotzdem ein guter Tag. Für die technisch Interessierten: es war die
erste Reise mit dem neuen Delite black von Riese & Müller. Bin sehr
zufrieden mit dem Rad - besonders das Fahrverhalten mit Gepäck ist hervorragend
- habe anscheinend für's Erste das optimale Reiserad gefunden.
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